Digital Art – Compositing an der Filmakademie Wien
Im Abspann einer großen Hollywoodproduktion seinen eigenen Namen lesen: Ein Traum, der für Studierende des Digital Art – Compositing (DAC) an der Filmakademie Wien gar nicht so weit entfernt liegt. Martin Stegmayer und Valentin Struklec, Lehrende des Masterstudiums an der mdw, geben Einblick in den Studienalltag und erklären, was ein Compositor eigentlich macht.
Text: Astrid Meixner
Der Text ist im mdw-Magazin September 2018 erschienen.
„Wenn man am Set ein Haus anzünden müsste, dann kann man ja kein echtes Haus anzünden, sondern muss andere Wege finden das Haus anzuzünden“, erklärte Valentin Struklec einmal seiner Großmutter seinen Beruf. Häuser anzünden ist natürlich nur eines von den vielen Dingen, die der Compositing Artist macht. „Alles, was man am Set, also ,on location‘ während des Drehs nicht machen kann – sei es, weil es zu teuer, zu gefährlich, oder physikalisch nicht möglich ist –, machen wir im Anschluss mithilfe des Computers“, so Martin Stegmayer, der seit Oktober 2012 das Masterstudium an der Filmakademie Wien leitet. Finanzielle Aspekte bei der Produktion eines Films sind häufig der Grund, weshalb ein Compositor zum Einsatz kommt, denn oft ist es günstiger eine Stadt im Nachhinein ins Bild einzufügen, als mit einem ganzen Filmteam dort hinzureisen. „Dann gibt es aber auch die kreativen Aspekte, die für uns natürlich spannender sind. Wenn es zum Beispiel darum geht, Stimmungen oder Bilder zu erzeugen“, so Struklec. Historische Gebäude, die nicht mehr komplett vorhanden sind, vervollständigen, ganze Welten schaffen, die eine Zukunft zeigen, die so noch gar nicht existiert, oder jemanden jemanden 20 Jahre altern lassen – all das und vieles mehr kann mithilfe des Compositing.
Die Studierenden des in dieser Form einzigartigen Masterstudiums, kommen von überall her – das Bachelorstudium davor muss nicht zwingend an der Filmakademie absolviert worden sein. Vielmehr geht es darum, Leidenschaft, Kreativität und ein gewisses Talent sowie ein Auge für die Bildgestaltung mitzubringen. Martin Stegmayer ist überzeugt: „Der Computer an sich ist für uns ein Werkzeug, das erlernbar ist. Es kommt immer darauf an, was die Bewerber_innen sonst noch an Erfahrung mitbringen.“ Technisches Verständnis für die Programme hilft und erleichtert den Einstieg. Gerade die Vielfalt der Berufsfelder, aus denen die Studierenden kommen, habe sich in den letzten Jahren extrem positiv ausgewirkt: „Es ist die wildeste Zusammensetzung, die man sich vorstellen kann. Das ist toll, weil die Teambildung allen sehr viel bringt. Die Studierenden lernen viel voneinander, weil jede_r aus einem anderen Bereich kommt“, so Struklec. Stegmayer ergänzt: „Wir haben zum Beispiel jemanden, der vorher Journalismus studiert und schon viel im Schnitt gearbeitet hat. Bei der Bewerbung ist er mit seiner Arbeit hervorgestochen und arbeitet mittlerweile sehr erfolgreich als Compositor im Ausland.“ Die Offenheit gegenüber den Bewerber_innen macht sich bezahlt: von den insgesamt 19 Studierenden, die das Studium derzeit inskribiert haben, sind die meisten schon während des Studiums sehr erfolgreich. „Leider!“, lacht Stegmayer. „Die Studierenden sind nach zwei, drei Semestern schon voll in der Praxis im Einsatz.“ Darüber, dass ihre Studierenden schon nach kurzer Zeit ein international gefragtes Niveau erreichen, sind die beiden Dozenten natürlich stolz. s umgesetzt werden.
Trotzdem hoffen sie, dass alle auch wieder zurückkommen, um einerseits ihr Studium abzuschließen und andererseits das erlernte Know-how nach Österreich zu bringen: „Die Erfahrungen, die sie mitbringen, sind eine Bereicherung für alle. Und sie haben natürlich die Möglichkeit, mit dem erlernten Wissen ihre Masterarbeit zu gestalten – also zum Beispiel einen eigenen Film. Das ist oft das letzte Projekt, das sie völlig frei gestalten können“, erklärt Stegmayer.
Unterstützt werden die beiden in ihrer Arbeit auch von einem tollen Team aus externen Lehrenden. Stuklec: „Wir sind hier in einer Luxussituation, weil wir tatsächlich auch im Einzelunterricht mit den Leuten arbeiten und somit auf Talente und Bedürfnisse eingehen können.“ Von Beginn an arbeiten die Studierenden eng mit den anderen Fachbereichen der Filmakademie Wien zusammen. „Hier haben sie die Möglichkeit, an Projekten zu arbeiten, die alle ein sehr hohes Niveau haben“, so Stegmayer. „Ich glaube, das ist es auch, was uns im Vergleich von anderen Ausbildungen abhebt: Dass hier eine enge Zusammenarbeit mit den Bereichen Produktion, Kamera, Regie, Schnitt usw. angeboten wird. Die Möglichkeit, dass man mit den diversen Departements so eng vernetzt ist und gemeinsam an Projekten arbeiten muss, gibt es sonst selten“, ergänzt sein Kollege.
An der Filmakademie wie auch in der realen Wirtschaft ist es wichtig, als Compositor von Anfang an in Projekte eingebunden zu sein: „Es hat sich langsam herumgesprochen, dass man, wenn man Projekte neu ausarbeitet, und weiß, dass man eine Nachbearbeitung benötigen wird, auch gleich jemanden vom Compositing dazu holt“, so Stegmayer. Das ermöglicht es, von Beginn an über alle Möglichkeiten der visuellen Gestaltung zu sprechen, um die Geschichte, um die es letztlich immer an erster Stelle geht, bestmöglich zu erzählen. Bei großen Hollywoodproduktionen, die aktuell gedreht werden, fließt manchmal die Hälfte des Budgets in visuelle Effekte. Compositing Artists sind also durchaus gefragt.
Der erste Visual Effect geht auf das Jahr 1895 zurück – die Enthauptung von Maria Stuart als Stopp-Trick in The Execution of Mary Stuart. Aufgekommen sind visuelle Effekte ab dem Zeitpunkt, als es die Möglichkeit gab Film zu kopieren – also mit dem Optical Printer. Bis Anfang der 1990er kam dieser analoge Filmeffekt zum Einsatz. Die technischen Voraussetzungen für digitale Filmeffekte nahmen ihren Anfang bereits in den 1970er Jahren. Rund um den Informatiker Edwin Catmull, die University of Utah, George Lucas und seiner Produktionsfirma Lucasfilm wurde das Digital Image Compositing zum Kombinieren mehrere Bilder entwickelt. 1986 gründete Catmull gemeinsam mit Steve Jobs schließlich Pixar, wo all das in den ersten Animationsfilmen mündete. Nach Österreich kamen diese technischen Innovationen zuerst über die Werbebranche. Während man damals noch einige Tricks anwenden musste, um mit dem globalen Markt mithalten zu können, so ist der heutige Standard an der Filmakademie Wien absolut auf internationalem Niveau. „Du musst Englisch und die standardisierte Software beherrschen und dann kannst du tatsächlich überall ab dem ersten Tag direkt mit der Arbeit loslegen“, fasst Struklec zusammen.
„Ortsgebunden sollte man nicht sein. Wenn man viele Erfahrungen sammeln will, ist der Weg ins Ausland wichtig“, so Stegmayer. „Die Branche ist oft sehr spontan. Da heißt es dann kurzfristig, dass zwanzig Leute in Singapur und zehn in Vancouver gebraucht werden, und die werden dann eingeflogen. Man kann den Beruf als ‚free ticket around the world‘ sehen. Ein gutes Beispiel ist Lukas Kampichler. Er hat damals bei der Bewerbung gesagt, dass er gerne einmal Star Wars machen würde und ist nun tatsächlich dort gelandet“, freut sich Struklec über derartige Erfolgsgeschichten. Doch es geht nicht nur um große Namen. „Schlussendlich ist es auch eine Arbeit, die gemacht werden muss, und man sitzt zum Teil 40 oder mehr Stunden die Woche in einem dunklen Raum am Computer und arbeitet an zwei Shots“, so Stegmayer. Stuklec bestätigt: „Stimmt, es ist ein meditativer Beruf. Aber auch die sozialen Kompetenzen sind wichtig. Man muss wissen, wie man kommuniziert und vor allem auch, wie man herausliest, was die anderen wollen, um das dann umsetzen zu können.“ Ob in Hollywood oder Wien: „Man ist nicht immer einer Meinung und es ist schön, dass wir das alles an der Filmakademie mit einem gewissen Auffangnetz simulieren können“, fasst Martin Stegmayer zusammen.