Filmeditor*innen arbeiten im Hintergrund; was im Schnittraum passiert, ist den meisten unbekannt. Dort jedoch wird der Filmstoff präzisiert, die Bilder erhalten durch Schnitt und Ton ihre Wirkungsmacht. Die Filmakademie-Studierenden des Faches Schnitt Julia Willi und Philipp Mayer erzählen von ihrem Studium, der Bedeutung des Schnitts in der Filmproduktion und über die Soft Skills, die Editor*innen in ihrer Arbeit anwenden.
Für Julia Willi war das Kino als Kind ein magischer Ort, der für sie mit den roten Vorhängen und Stühlen eine spezielle Feierlichkeit und Eleganz vermittelte. Mit elf Jahren entdeckte sie nach dem Herumspielen an der einfachen Digitalkamera ihres Vaters, dass das damit gedrehte Material am PC bearbeitet werden kann. Das daraus entwickelte Hobby mündete schließlich in der Entscheidung, sich nach der Matura an der Filmakademie Wien für das Schnittstudium zu bewerben – mit Erfolg. Demnächst wird sie in ihrem Masterstudium ihren Abschlussfilm schneiden. Abseits der Universität wirkte sie in der Branche bisher v. a. als Schnittassistentin an TV- und Kinofilmen mit.
Auch Philipp Mayer steht in der Abschlussphase seines Masterstudiums und arbeitet bereits in seinem Beruf. Davor hat er Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien studiert. Nach dem Studium hat er als Produktionsfahrer bei Kinofilmen breite Einblicke in die Filmherstellung bekommen und festgestellt, dass er am liebsten mit dem fertigen Filmmaterial arbeiten möchte. Daraufhin entschied er sich für das Schnittstudium an der Filmakademie.
Das Studium Schnitt beginnt mit der Grundausbildung, bei der die Studierenden aller Studienrichtungen der Filmakademie in den ersten drei Semestern gemeinsam unterrichtet werden. Jede*r Studierende lernt die Filmproduktion aus all ihren Perspektiven kennen und muss jede Position selbst einmal einnehmen: Buch, Regie, Ton, Kamera, Schnitt. „Wenn man eineinhalb Jahre miteinander im Klassenverbund ist, entstehen wichtige Netzwerke und interessante Regie-Schnitt-Kombinationen“, sagt Julia Willi über die Vorteile der gemeinsamen Grundausbildung. Nach der Regieübung im dritten Semester, bei der die Studierenden gemeinsam das Set aufbauen und zwei Monate miteinander drehen, widmen sich die Schnittstudierenden intensiv ihren Schnittprojekten. Neben ihren technischen Fähigkeiten sind für Editor*innen vor allem ihre Soft Skills essenziell. „Das Wichtigste im Schnittraum sind Diplomatie und Kompromissfähigkeit, aber auch für sich selbst einzustehen. Man muss lernen, wie man mit den anderen Departments kommuniziert, und dazu ist Wissen nötig, wie es bei den anderen abläuft“, erläutert Julia Willi. „Im Schnittraum wird hinterfragt und präzisiert, worum es im Film geht, der Subtext kommt ins Spiel“, erklärt Philipp Mayer. „Oft sitzt man im Schneideraum mit der Regie vor dem Material und muss herausfinden, wie man zusammenarbeitet. Ich arbeite gerne mit unterschiedlichen Leuten, jeder hat andere Herangehensweisen, und man muss sich einander anpassen.“ Das Zueinanderfinden in künstlerischen Entscheidungen von Regie und Schnitt ist oft ein Drahtseilakt, hier ist wiederum beiderseits Kompromissbereitschaft gefragt. „Als Filmeditor muss ich wissen, wie die Regie tickt, um einen gemeinsamen Stil zu finden“, so Philipp Mayer.
Das Genre des Films ist nicht unbedingt ausschlaggebend dafür, wie ein Film geschnitten wird. „Jeder Schnitt ist eine dramaturgische Entscheidung und leitet sich aus dem jeweiligen Material, Buch und Schauspiel ab“, sagt Julia Willi. „Wichtig ist, als Editor/Editorin viele Filme und Referenzen zu kennen. Die Kunst besteht auch darin, bei Test-Screenings die Meinungen der anderen zu deuten und in der Zusammenarbeit ein Gespür für die anderen Beteiligten zu entwickeln, dann kann man viele Arten von Projekten schneiden“, so Philipp Mayer.
Zentral beim Schnitt ist das Thema Sounddesign, das ein wichtiger Bestandteil sowohl im Bachelor- wie auch im Masterstudium ist. „Der Ton spricht im Film stark das Emotionale an. Selbst wenn eine Szene auf der Bildebene nicht gut funktioniert, kann durch den Ton sehr viel vermittelt werden, etwa durch Musik, die einen berührt, oder durch Geräusche, die eine gewisse Atmosphäre erzeugen“, sagt Willi.
Wie früh Editor*innen in die Filmherstellung eingebunden sind, hängt oftmals von den Regisseur*innen ab. Bei den Projekten an der Filmakademie muss vor Drehbeginn feststehen, wer den Schnitt macht. „Es ist angenehm, bald eingebunden zu sein und das Drehbuch für Feedback zu bekommen. Als Editor ist man keine austauschbare Maschine, die nur ein Programm bedient, sondern man versucht, mit seiner Persönlichkeit den Film künstlerisch zu prägen“, betont Philipp Mayer. Es gibt aber auch Projekte, wo das Material über eine lange Zeit entstanden ist und daher die Editor*innen nicht von Anfang an eingebunden sind. „Wichtig ist, dass verständlich ist, warum ein Prozess so ist. Man will als Editor als künstlerischer Mitarbeiter ernst genommen werden“, ergänzt Mayer.
Die gemeinsame Grundausbildung mit den anderen Studienrichtungen und den wichtigen Sounddesign-Unterricht schätzen beide Studierende besonders an ihrem Studium. Julia Willi hebt auch die Atmosphäre in der Filmakademie hervor: „Nach den ersten drei Semestern der filmischen Grundausbildung hat man die Freiheit, sich selbst Schwerpunkte je nach persönlichem Interesse zu setzen. Die Lehrenden geben Feedback und agieren wie Mentor*innen. Am Schnittdepartment findet man immer ein offenes Ohr.“ Wünschenswert sind aus ihrer Sicht mehr praxisorientierte Workshops mit externen Lehrenden im Masterstudium. Eine stärkere Integration des Lehrgangs für elektroakustische und experimentelle Musik (ELAK) würde Philipp Mayer als wertvoll empfinden: „Für mein aktuelles Sounddesign-Projekt habe ich mit zwei ELAK-Studentinnen drei Tage lang im Foley-Raum Geräusche wie Schritte oder Schwimmen nachvertont, wodurch die klangliche Welt des Films noch einmal verstärkt wird. Filmakademie-Studierende und ELAK-Studierende können sehr viel voneinander lernen. Dass unsere Institute nun im neuen Future Art Lab am mdw-Campus angesiedelt sind, hilft sicher beim vermehrten Austausch.“
Die Virtuosität einer filmischen Erzählung ist oft der Schnittkunst zu verdanken, denn bei jedem Film, der beeindruckt, wurde der Schnitt gut umgesetzt. Es lohnt sich, im Abspann darauf zu achten, wer den Schnitt gemacht hat.
Text: Isabella Gaisbauer
Der Text ist im mdw Magazin Dezember/Januar 2021/2022 erschienen.