Seit 2011 lehrt das Multitalent Kathrin Resetarits an der Filmakademie Wien Praktische Filmdramaturgie. Den Kunsträumen liefert sie wertvolle Einsichten in die Kunst des Drehbuchschreibens.
Kathrin Resetarits, die selbst an der Filmakademie Wien Regie studierte, ist heute erfolgreiche Schauspielerin (Crash Test Dummies, Fallen, Richtung Zukunft durch die Nacht u.a.), Filmemacherin (Ägypten, fremde 1-3, ich bin ich u.a.) und Dramaturgin (Michael, Fieber u.a.). Bei Michael Hanekes Filmen Die Klavierspielerin, Wolfzeit, Caché, Funny Games US, Das weiße Band, Amour war sie außerdem als künstlerische Assistentin tätig.
Kathrin Resetarits ist aber vor allem auch eine vielseitige Autorin: Seit vielen Jahren schon schreibt sie an den Kabarettprogrammen ihres Vaters Lukas Resetarits mit, bei denen sie auch Regie führt. Zu ihren Drehbüchern gehören neben denen ihrer eigenen mehrfach preisgekrönten Filme auch Drehbücher zu einer Sitcom und mehreren Spielfilmen. Zu ihren literarischen Arbeiten zählen Prosatexte – unter anderem veröffentlicht in der Literaturzeitschrift Kolik und in Anthologien (Zum Glück gibt’s Österreich, der geschmack der fremde, u.a.) und das im Czernin Verlag erschienene Buch Vögel sind zu Besuch.
Mut zum Hinterfragen
Wie erklärt also eine so vielseitige Künstlerin die Praktische Filmdramaturgie? „Es geht um das Erzählen“, sagt sie „das Erzählen in der Zeit, darum im Zuschauer einen Fluss von Gedanken und Emotionen zu erzeugen.“ Das Erzählen sei dem Menschen sehr wichtig, sagt sie und zeigt sich begeistert davon, dass „der Mensch einerseits die Gabe des Dramatisierens in sich trägt und andererseits auch über das Wissen verfügt, wie eine Geschichte erzählt wird. Man sucht automatisch Zusammenhänge und Bedeutungen.“ Beim Lehren geht es teilweise auch darum Dinge bewusst zu machen, die man unbewusst bereits weiß. Beim Erlernen des Drehbuchschreibens sei es unerlässlich, eigene Erfahrungen zu machen, um die Kommunikation mit der/dem ZuschauerIn zu optimieren. Sie bringe ihren StudentInnen bei, sich auf ihre „Primärerfahrungen“ zu besinnen, das sind Erfahrungen, die sie selbst gemacht hätten. Im Gegensatz dazu gebe es die Sekundärrealität, all jenes Wissen, jene Erfahrungen, die man aus zweiter Hand – aus Medien, aus Filmen aus anderen Erzählungen erworben hat. „Die Primärerfahrung ist essentiell, um beim Verfassen eines Drehbuches, beim Festlegen der Dramaturgie nicht in Klischees zu verfallen“, erklärt sie. Gerade für das Verfassen von Drehbüchern gibt es eine Reihe von Regelwerken, etwa jene des US-Amerikaners Syd Field. Auch Filmgenres wie etwa die Romantic Comedy, der Western, der Fantasyfilm folgen bestimmten Regeln: „Der Künstler soll den Mut zum Hinterfragen all dieser Regeln haben“, ist Kathrin Resetarits überzeugt.
Kleines Geheimnis
Eine von Kathrin Resetarits´ Lehrveranstaltungen im Bereich der Grundlagen dramaturgischer Gestaltung trägt den Untertitel „Tricks und Geschenke“ – verraten Sie uns ein, zwei Tricks der Filmdramaturgie? Ein „Trick“ sei es, erklärt sie, mit Klischees zu brechen, durch Genauigkeit Verkürzungen zu vermeiden. Also das Bild nicht auf seinen „Nachrichtenwert“ zu reduzieren, sondern dem Zuschauer zu ermöglichen, es wirklich sehen zu können. Einen weiteren „Trick“ stellt das Geheimnis dar. Als Beispiel nennt sie hier ein Telefonat, bei dem nur einer der Gesprächspartner zu hören ist. „Der Zuschauer hat hier die Chance, diese Gesprächslücken auszufüllen, das kleine Geheimnis kann ihn zu einem interessierten Beobachter machen, kann bei ihm einen Fluss in Gang setzen.“ Dies gelinge bei komplexeren Erzählstrukturen – etwa der am Beispiel des Telefonats erkennbaren so genannten elliptischen – besser, erläutert sie.
Auch was sie unter einem „Geschenk“ versteht, erklärt Kathrin Resetarits gerne. Für sie sind zum Beispiel Fehler beim Schreiben etwas sehr Schönes. Sei es nur, dass etwa beim Tippen in einem Dialog aus einem „Hallo“ zwei werden, „Fehler können inspirierend sein und Öffnungen in etwas Größeres bewirken.“
Inneres Auge
Von Vorteil ist beim Drehbuchschreiben, wenn die/der Autorin auch etwas vom Filmmachen versteht: „Als Drehbuchautorin/autor bin auch erste/r ZuschauerIn des Filmes, da ist es Grundvoraussetzung, dass ich um alle Möglichkeiten des Arbeitsprozesses weiß. “, sagt sie. Wenn man als AutorIn etwa die Möglichkeiten der Kameraführung kennt, dann weiß man beispielsweise um den Unterschied, den etwa Einstellungsgrößen beim filmischen Erzählen ausmachen; wenn man Erfahrungen mit dem Schauspiel gemacht hat, könne man Dialoge besser umsetzen und subtiler gestalten. Wenn man beim Verfassen des Drehbuchs aber auch wie ein Produzent denkt, dann kann man die Umsetzbarkeit dessen, was man erzählen möchte, mitbedenken: „Je genauer ich den Film vor meinem inneren Auge sehen kann, desto besser schreibe ich das Drehbuch dazu.“
Mut zur Inspiration
Als Schriftstellerin, Filmemacherin, Dramaturgin und Schauspielerin vereint Kathrin Resetarits alle Voraussetzungen für eine szenische Autorin in sich. Es stellt sich die Frage, was von all diesen Dingen sie am liebsten macht? Das sei gar nicht so einfach zu beantworten, da es schwanke: „Im Moment ist mir das Schreiben das liebste, weil ich meine Visionen unabhängig umsetzen kann.“ Danach folge aber gleich das Filmemachen in jeder Funktion ebenso wie die Mitarbeit an den Kabarettprogrammen ihres Vaters. Das Schreiben für das Kabarett, erzählt sie, sei eine große Herausforderung, da die Reaktion des Publikums ganz unmittelbar erfolgt: „Entweder die Leute lachen oder sie lachen nicht.“
Aber auch die Lehre an der Filmakademie Wien (und als Gastdozentin auch an der renommierten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin) macht Kathrin Resetarits große Freude. Sie arbeite hier an der Filmakademie mit ihren KollegInnen in einem großartigen Team, die Lehrenden ergänzten einander, um den Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich eine eigene künstlerische Meinung zu bilden. Persönlich findet sie es herausfordernd, immer wieder zu überdenken, wie sie die Kunst des Drehbuchschreibens am besten an ihre Studierenden vermitteln könne. „In der kreativen Auseinandersetzung mit den Studierenden lerne ich viel für meine eigene Arbeit.“
Und was inspiriert Sie Frau Resetarits? „Das Wichtigste ist es, keine Angst zu haben“, sagt sie, „wenn man nicht durch Angst blockiert ist, dann inspiriert eigentlich alles.“ Ob es Beobachtungen seien, die man mache, Filme, Bücher, Erinnerungen, alles könne inspirieren. „Es soll ein Zustand erreicht werden, in dem man die Offenheit zur Inspiration zulassen kann“. Wenn das gelänge, könnten sogar Einkäufe eines anderen Menschen auf dem Laufband des Supermarktes die Fantasie anregen und zu einer neuen Geschichte inspirieren.
Webtipps:
Kathrin Resetarits liest aus Vögel sind zu Besuch
Prosatext von Kathrin Resetarits auf derstandard.at
Text: Doris Piller
Der Artikel ist in der Kunsträume Ausgabe #3-2014 erschienen.