Eine Veranstaltungsreihe der mdw in Kooperation mit dem Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung (MvBZ) der Freien Universität Berlin.
Donnerstag, 19. Mai 2022, 16 Uhr, Arthousekino, Filmakademie Wien: Drehli Robnik
Population / Elevation: Perspektiven von Populismuskritik durch Film anhand von Jordan Peeles Us – Wir (2019)
16.00 Uhr – Filmscreening
18.30 Uhr – Vortrag Drehli Robnik
(Moderation: Claudia Walkensteiner-Preschl)
Der Vortrag wird als Präsenzveranstaltung und Online über Zoom angeboten. Anmeldung per Mail erforderlich!
Seit geraumer Zeit haben populistische Diskursstrategien Konjunktur und sind inzwischen vielerorts Teil der Regierungspolitik geworden. Zugleich haben sich die medialen Bedingungen von Öffentlichkeit grundlegend gewandelt und ermöglichen es auf neue Weise, rassistische oder sexistische Ressentiments zu schüren und die Grenzen des Sag- und Denkbaren nach rechts zu verlagern. Die Veranstaltungsreihe POPULISMUS KRITISIEREN fragt danach, wie sich gegenwärtigen Diskursverschiebungen nachhaltig begegnen lässt. Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Fachgebieten, die an unterschiedlichen Institutionen der mdw forschen und lehren, haben sich mit Unterstützung des Vizerektorats für Organisationsentwicklung, Gender & Diversity für die Organisation dieser Reihe zusammengeschlossen: Gender Studies und Kulturwissenschaft am IKM, Institut für Popularmusik, Institut für Musiksoziologie, Institut für Film und Fernsehen der Filmakademie Wien, mdw-Forschungsförderung und das Zentrum für Weiterbildung.
Projektteam
Evelyn Annuß, Ralf von Appen, Sarah Chaker, Mariama Diagne, Andrea Glauser, Therese Kaufmann, Gerda Müller, Dagny Schreiner, Claudia Walkensteiner-Preschl
Drehli Robnik
Population / Elevation: Perspektiven von Populismuskritik durch Film anhand von Jordan Peeles Us – Wir (2019)
Ginge es in dieser Film- und Vortragsreihe dem Titel nach um Rechtspopulismus, dann wäre es einfacher: Dieser wäre, als eine Mobilisierungsform anti-egalitärer, sexistischer und rassistischer Politik, „einfach nur“ abzulehnen und politisch zu bekämpfen, wohl auch zu analysieren.
Es geht allerdings um Populismus, und der Anspruch der Reihe lautet, ihn zu kritisieren. Da werden die Dinge verwickelter, bzw. fragt sich (auch), was für ein Ding das ist, Populismus, bzw. was „sein Ding“ ist, und was für eine Tätigkeit und/oder Sensibilität die Kritik ist, die da mit dem P-Wort zusammengehängt ist. Kurz, es geht um Fragen der Wahrnehmung, der ihrerseits kritischen Wahrnehmung, gegenüber Populismus und den allfälligen Wahrheitsansprüchen und Legitimitätsgrenzen, die mit ihm bzw. in diesem Namen gestellt sind. Und da treten Fragen von Film in den Raum, in den Rahmen, in den Ablauf. (Somit auch einer „Theorie des Films“, wie Heide Schlüpmann das nennt.)
Ich möchte zweierlei darlegen und ansatzweise klären: Erstens inwieweit Populismus als politisches Konzept (und „Perzept“) ein Feld voller Dynamiken des Verdrehens und Missverstehens eröffnet, ebenso eine Sichtbarkeit (sowie ein Hören von allerlei Geräusch) in Sachen Demokratie, gegenüber ihrem Namen, ihrer Macht- und Ereignisform, ihrem „Abdecken“ (im Doppelsinn?) von Gesellschaft und staatlichen Institutionen. Dieses durch Populismus eröffnete Feld ist durch eine Spaltung markiert, durch eine Aufteilung, anhand derer einerseis von Faschismus zu reden wäre, anderseits von radikalisierter Demokratie. (Damit ist auch Radikalität zu verteidigen: Die Hetze der „Querdenker“ ist nicht radikal.)
Zweitens inwieweit Filme eine Kritik, eine Perspektivierung-als-Problematisierung, von Populismus, eines Sinns für „Volk in Bewegung“, leisten können, mit all dem Horror, der allein schon solchen Ausdrücken (hierzulande) anhaftet. Kann, wie kann, inwieweit kann (oder kann nicht) Film – Spielfilm; Mainstreamfilm; was (auch) im Multiplex läuft – populus in seinen Spannungen zu demos nicht nur zeigen, sondern wahrnehmen lassen, also auch nicht zeigen und das Zeigen und Bewegen von „Volk“ so in Frage stellen? Diese und andere Wendungen ermöglicht, finde ich, Jordan Peeles Thriller Us – Wir mit Lupita Nyong´o (2019) mit seinem Oben und Unten, seinen Spaltungen im Zusammengehängten, seinen Easter Eggs und Motivketten und seiner elevation, die voll auf eleven geht, also aufs Unganze.
Drehli Robnik ist Freelance-Philosoph und Essayist in Sachen Film, Geschichte, Politik. Außerdem Edutainer. Er „lebt“ in Wien-Erdberg. Jüngste Monografie: Ansteckkino: Eine politische Philosophie und Geschichte des Pandemie-Spielfilms von 1919 bis Covid-19 (Berlin 2020). Jüngste Herausgaben: Klassen sehen. Soziale Konflikte und ihre Szenarien (Münster 2021); Gewohnte Gewalt. Häusliche Brutalität und heimliche Bedrohung im Spannungskino (mit Joachim Schätz; Wien 2022). Die Monografie DemoKRACy zu Siegfried Kracauers Film-vermittelter Politiktheorie sowie ein Buch zu Film und Faschismus(theorie) sind in Fertigstellung.