Die Kaffeetasse, die auf dem Tisch abgestellt wird, die Schritte des Verfolgers in der Dunkelheit oder das Klingen eines Skalpells, das ein Arzt in die Hand nimmt. In Filmen hören wir ganz oft Geräusche, die wir im realen Leben eigentlich kaum bis gar nicht wahrnehmen. Dass sich die ZuschauerInnen darüber selten Gedanken machen, ist gut so, denn um jedes gesprochene Wort und Geräusch im Film kümmern sich die sogenannten SounddesignerInnen.
Gemeinsam mit der Bildebene im Film muss der Ton andere Sinneseindrücke für das Publikum ersetzen. Wie viel Detailarbeit und Tüftelei dahintersteckt, soll beim fertigen Film im Optimalfall niemand bemerken. „Sounddesign ist eine Kunst, die im Verborgenen wirkt – in dem Moment, in dem man sie bemerkt, funktioniert sie eigentlich schon wieder nicht mehr“, erklärt Philipp Mosser, Senior Lecturer für Sounddesign am Institut für Film und Fernsehen – Filmakademie Wien im Gespräch mit dem mdw-Magazin.
„Unter Sounddesign versteht man die kreative Tongestaltung im Film. Da spreche ich nicht von Musik, sondern von Sprache, Geräuschen und Atmosphären.“ Etwa 80 bis 90 Prozent vom Ton eines fertigen Kino-Spielfilms wurden nicht auf dem Set aufgenommen, sondern im Nachhinein hinzugefügt. Nachdem ein Film abgedreht und das Bild geschnitten ist, beginnt in der Regel die Arbeit der SounddesignerInnen – die im Idealfall in der Drehbuchphase schon mit eingebunden waren. Es gilt, den Originalton anzuhören, zu bewerten und zu editieren sowie schließlich in Absprache mit der Regie Geräusche und Atmosphären hinzuzufügen. „Ein guter Originalton vom Set ist sehr wichtig. Hier handelt es sich vor allem um die Sprache der SchauspielerInnen. Dann werden im Sounddesign Geräusche, Atmosphären und auch Effekte hinzugefügt. Nahezu jedes Geräusch wird bei einem Kinofilm noch einmal verstärkt“, schildert Mosser die Arbeitsprozesse des Sounddesigns. Neben dem Geräuschemacher, der mit oft skurrilen Mitteln arbeitet und zum Beispiel mit Backpulver und Maisstärke Schritte im Schnee erzeugt, ist für die SounddesignerInnen vor allem auch das Archiv eine wichtige Quelle. Zusätzlich werden schließlich Originalrequisiten ins Tonstudio gebracht. Da kann es schon einmal vorkommen, dass das Tragen oder Schließen eines Sarges im Studio extra aufgenommen wird. Zehn bis 14 Wochen Zeit hat das Sounddesign im Durchschnitt bei einem österreichischen Kinofilm. In der abschließenden Tonmischung mit dem Mischtonmeister und der Regie wird schließlich der letzte Feinschliff vorgenommen.
An der Filmakademie Wien werden die Studierenden ab dem ersten Semester mit dem Thema in Berührung gebracht. In der einführenden Vorlesung Tonschnitt und Sounddesign gilt es, die Aufmerksamkeit für das Thema zu gewinnen. Filmausschnitte werden gesichtet und gemeinsam besprochen. „Es gibt viele, die sich davor noch nie damit beschäftigt haben, dass der Ton nicht nur am Set entsteht. Der Ton ist kein Zufallsprodukt, sondern ein ganz bewusst gestaltetes Element des Films. Die Studierenden sollen lernen hinzuhören – bei Filmen, aber auch im Alltag.
Zum Beispiel: Wonach klingt ein Raum? Sie sollen lernen, was sie hören und vor allem auch was sie hören wollen.“ Im Rahmen der ersten drei Praktika müssen die Studierenden im Zuge der generellen Grundausbildung – das heißt, egal für welches Studium sie sich entschieden haben, jede/r muss alles einmal machen – die Tonnachbearbeitung selbst in Angriff nehmen. Auf diese Weise bekommen sie ein Gespür dafür, was durch Sounddesign möglich ist. Zu Beginn des ersten Praktikums erhalten sie eine mehrstündige Einschulung in das Tonschnittprogramm, bevor es direkt an die praktische Arbeit geht. Schnittstudierende müssen dann im Laufe ihres Studiums zwei weitere Sounddesign-Praktika absolvieren. „Für die Studierenden ist das heute meist schon total geläufig und sie kennen bereits mehrere Schnittprogramme. Unser vorrangiges Ziel ist es derzeit nicht, hier SounddesignerInnen auszubilden, sondern angehenden RegisseurInnen, BildeditorInnen oder ProduzentInnen zu erklären, was man mit Ton alles machen kann und wie wichtig dieser für die eigenen Arbeiten und deren kreative Gestaltung ist“, erklärt Mosser, der selbst Regie-Student an der Filmakademie Wien war. „Über die Bearbeitung meiner eigenen Filme habe ich meine Begeisterung für den Ton entdeckt. Ich hatte das Glück, dass sich die SounddesignerInnen in den 1990er Jahren bei uns erst erfunden haben und bin sozusagen in die ‚Gründerzeit‘ des österreichischen Sounddesigns als eigene Berufsform hineingerutscht.“
Historisch entwickelte sich der Beruf nämlich aus dem Bildschnitt. Während die Trennung zwischen Bild- und SoundeditorIn im internationalen Vergleich schon recht früh, in großen Hollywoodproduktionen vor etwa 50 bis 60 Jahren, stattfand, sorgten in Österreich erst in den 1990er Jahren Dolby Digital, also ein digitales Mehrkanaltonsystem, sowie die aufkommenden digitalen Schnittsysteme dafür, dass sich die beiden Bereiche immer mehr differenzierten und vor allem spezialisierten. Durch die neuen technischen Gegebenheiten wurde in der Bearbeitung des Sounds viel mehr möglich und das in kürzerer Zeit – es kamen aber auch neue Aufgaben hinzu. Zahlreiche BildeditorInnen sowie auch TonmeisterInnen haben sich schließlich auf den Ton spezialisiert, woraus das Berufsbild SounddesignerIn hervorging. Dieses hat sich über die Jahre ganz stark entwickelt und es wäre heute fast nicht mehr möglich als Einzelperson beide Bereiche, also Bild und Ton, abzudecken.
Mosser geht für neue Projekte durchaus auch auf Recherche: „Ton- Recherche ist etwas sehr Spannendes, weil man Dinge auch neu erlebt und wahrnimmt. Man fährt an einen Ort, sitzt da, hört hin und nimmt Töne auf.“ Die Begeisterung für seinen Beruf versucht er den Studierenden in jedem Fall zu vermitteln: „Was mir an der Tonmontage so wahnsinnig gut gefällt, ist die Tatsache, dass ich quasi aus dem unendlichen Material des Universums schöpfe. Jeder Ton, den man aufnehmen kann, steht mir zur Verfügung und kann im Film zusammen mit dem Bild eine neue Bedeutung erlangen.“
Weitere Informationen zum Sounddesign an der Filmakademie Wien finden Sie unter:
Verband österreichischer SounddesignerInnen:
Text: Astrid Meixner
Der Text ist im mdw-Magazin Oktober/November 2017 erschienen.