Clara Stern und Michael Podogil, Studierende der Filmakademie Wien, geben Einblick in ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Filmfestivals.
In den Saal lauschen
Der Abspann des Kurzfilms von Mathias läuft und ich werd nervös. Die kurze Dunkelheit zwischen den Filmen und ich fühl meinen Puls rasen. Und dann sehe ich die Bilder auf der Leinwand kaum, höre vor allem auf die Reaktionen im Publikum: Ist es ganz still? Wird gelacht? Wann wird gelacht?
Mit meinen Kurzfilmen auf Festivals zu fahren, das sind für mich besondere Reisen. Man sieht Städte anders, wenn man sie vor allem in Kinosälen erlebt, in den Wegen zwischen den Festivallocations entdeckt und durch leeren Gassen nachts zum Hotel zurückspaziert. Es ist eine eigene Energie: Immer neue Menschen kennenzulernen, Filmgespräche, Q&As, von einem Film zum nächsten zu hetzen und manchmal fast zwanzig Kurzfilme oder vier Langfilme an einem Tag zu sehen und der Kopf schwirrt vor Ideen und Geschichten, Figuren und Locations. Und die meisten Nächte wird kaum geschlafen.
Und obwohl ich nach jedem Festival erst einmal einen Tag schlafen und mich sortieren muss, packe ich den Koffer gerne wieder und bin glücklich über diese Chancen. Diesen Herbst warten China, Wales und Deutschland. Und wer weiß, was noch? Ich werd auf jeden Fall wieder nervös im Publikum sitzen und in den Saal lauschen.
Ein Fucking Drama
Filmemachen ist ein Fucking Drama; die Suche nach DarstellerInnen, Locations und passenden Kostümen nervenaufreibend, das Warten auf die Finanzierungszu- oder -absagen zermürbend und der Dreh selbst ein Gewaltakt, bei dem man „lediglich“ versucht, alles so zu verwirklichen, wie man es sich zuvor imaginiert hat.
Und dennoch: Ich kann mir keinen schöneren Beruf als den des Regisseurs/der Regisseurin vorstellen. In einem Team voller großartiger SpezialistInnen arbeitet man gemeinsam daran, Geschichten eindringlich zu erzählen, Extremsituationen greifbar zu machen und emotionale Achterbahnen zu schaffen.
Und nun ist alles gut gegangen. Fucking Drama ist gedreht, geschnitten und vertont. Wir sind glücklich und wollen unser Werk natürlich der ganzen Welt präsentieren – so wie Tausende andere, die sich ebenso auf den Wahnsinn Film eingelassen und es auch bis zur Fertigstellung geschafft haben. Also nimmt man nochmals viel Geld in die Hand, beschickt Festivals – Dutzende – deren Antworten weitgehend frustrierend, weil negativ sind. Aber wir machen weiter – es bleibt die beste Chance für den Kurzfilm, ein Publikum und Anerkennung zu finden.
Lange nur Absagen. Die Euphorie über die erfolgreiche Fertigstellung des Filmes weicht dem Frust, dass ihn keiner zeigen will. Große Festivals müssen eine Auswahl aus über 3.000 eingereichten Filmen treffen! Also: Der richtige Mensch muss im richtigen Moment, in der richtigen Stimmung deinen Film sehen, um ihn in der Masse nicht untergehen zu lassen. Das passiert hoffentlich irgendwann oder eben auch nie. Ein Fucking Drama.
Schlussendlich dürfen wir uns aber nicht beschweren – sind selbst unendlich dankbar. Die nationale Premiere wurde auf der Diagonale in Graz gefeiert und die internationale auf den BAFTA Student Film Awards in Los Angeles, wo der Film in der Kategorie Best Live Action nominiert war. In Hollywood – na wir waren fertig.
Und da beginnt auch schon gleich der nächste Spannungsbogen: Wie wird der Film auf dem Festival angenommen? Haben wir eine Chance auf prestigeträchtige Preise? Ja, die wünscht man sich. Warum? Weil sie die Finanzierung des nächsten Herzensprojektes erleichtern. Und hier schließt sich der Kreis.
Der Artikel ist im mdw-Magazin Dezember/Jänner 2017/2018 erschienen.