Die Filmakademie Wien hat im Jahr 2014 in die Zukunft des Filmes investiert: Die Filmproduktion wurde von der analogen auf die digitale Technik umgerüstet – ein guter Grund sich mit Lehrendem Wolfgang Thaler über die ästhetischen Veränderungen durch die Verwendung von digitalem Film zu unterhalten.
Wolfgang Thaler selbst blickt auf eine fruchtbare Karriere zurück: Seit 1990 hat er als Kameramann mehr als 50 Fernseh- und Kinofilme gedreht, seit 1999 ist er auch als Drehbuchautor und Regisseur tätig. Thaler gewann zahlreiche Preise, so wurde ihm etwa 1999 der österreichische Fernsehpreis „Romy“ als Bester Kameramann zuerkannt, 2006 erhielt er für Michael Glawoggers Workingman’s Death den Diagonale-Preis für „Beste Kameraarbeit“ und 2012 wurde er für seine Kameraarbeit zu Glawoggers Whore’s Glory mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet.
Analog versus Digital
2013 drehte Wolfgang Thaler in Jordanien mit dem jungen Regisseur Naji Abu Nowar den Spielfilm Theeb, den die Huffington Post anlässlich seiner Aufführung bei den Filmfestspielen von Venedig als „Juwel“ bezeichnete. Gedreht wurde Theeb analog auf 16Millimeter-Film. „Der Regisseur liebt das Kino sehr“, erzählt Thaler, „und er liebt ebenso die Ästhetik des Filmkornes“. So habe man sich für die Verwendung der analogen Technik entschieden, denn in der Sichtbarkeit des Filmkornes liege einer der Unterschiede zwischen analoger und digitaler Filmtechnik, erklärt Wolfgang Thaler. „Die digitale Technik liefert gestochen scharfe, glatte Bilder, der 16mm-Film hingegen zeigt das Filmkorn“, erklärt er. Der 16mm-Film unterscheidet sich hier wiederum vom Standard 35mm-Film, dessen hohe Auflösung und großer Blendenumfang eine feineres Filmbild ermöglicht – Wolfgang Thaler prognostiziert deswegen auch ein Aussterben des 16mm-Filmes: „Nicht nur die Technik ändert sich, auch die Sehgewohnheiten des Publikums haben sich verändert“. Die Sichtbarkeit des Filmkorns könne nun sogar verstörend auf das Publikum wirken. Bei Ulrich Seidls preisgekrönter Paradies-Trilogie – ebenfalls auf 16mm-Film gedreht – musste Wolfgang Thaler in der Postproduktion das Filmkorn stark reduzieren, weil der Regisseur gerne ohne zusätzliches Filmlicht arbeitet.
Licht und Schatten
Die Entwicklung des Lichts gehört zu den wichtigen Veränderungen in der Geschichte des Films. Die Lichteinheiten, also die Scheinwerfer, sind kleiner und leichter, das Licht ist mit der digitalen Technik außerdem weicher geworden. „Der digitale Film ist viel lichtempfindlicher und ermöglicht damit etwa auch bei Nachtaufnahmen sehr gute Bilder“, erklärt Thaler. Er kann sich gut vorstellen, dass in Zukunft analoge Bilder des 35mm-Filmes mit der digitalen Technik kombiniert würden, das könne kreative, gute Ergebnisse bringen. Hier müssten aber die unterschiedlichen ästhetischen Wirkungen der beiden Techniken bedacht werden. Wolfgang Thaler spricht von einer „kalten“ Ästhetik des Filmbildes, denn im digitalen Film sei jedes Detail im Bild sehr gut zu sehen, „jeder Ansatz einer Perücke, jeder Make-up-Strich, jeder kleine Fehler, jedes noch so winzige Detail.“ Besonders sichtbar werde dies bei Hauttönen: „Natürliche Hauttöne können über die Verwendung von Filtern erreicht werden“, erklärt er. Um sich also der Ästhetik des Filmes wieder anzunähern, müssen in der digitalen Technik Filter eingesetzt werden oder es wird in der Postproduktion Filmkorn eingemischt. „Auch ich mache das gerne“, erzählt Thaler, „und viele RegisseurInnen wollen ebenfalls, dass der digitale Film aussieht als wäre er analog gedreht.“
Neue Blickwinkel
In der Kamerabewegung, also etwa der Verwendung von Schwenks oder Kamerafahrten, gibt es durch die digitale Technik prinzipiell wenig Veränderungen, so Wolfgang Thaler. „Doch das leichte Gewicht und die geringe Größe von Digitalkameras ermöglichen heute Kamerapositionen, die früher nur mit großem Aufwand – auch finanziellem – zu erreichen waren“, erklärt er. Als Beispiele nennt er, wenn etwa ein Autofahrer aus der Sicht des Lenkrades aufgenommen werden soll oder auch Einstellungen direkt auf der Wasseroberfläche und ausgefallene Flugbewegungen. „Die digitale Technik ist in dieser Hinsicht ein großer Zugewinn.“ Diese neuen Kamerapositionen würden von jungen FilmemacherInnen verstärkt eingesetzt und führten auch dazu, „dass Filme dynamischer erzählt werden können.“
Einen weiteren großen Vorteil des digitalen Filmes sieht Wolfgang Thaler vor allem in der Postproduktion. Die digitale Nachbearbeitung ermögliche es Kameraleuten – MalerInnen gleich – das Filmbild mit einem „Pinsel“ zu gestalten, sprich Veränderungen vorzunehmen, die Blicke der ZuschauerInnen auf Dinge, auf die Erzählung zu lenken. „Diese Chance das Bild zu ‚malen‘ ist für mich ein wunderschöner kreativer Prozess“, schildert der Kameramann, „fast ebenso schön wie das Drehen selbst.“
Digitale Technik verändert die Lehre
An der Filmakademie Wien ergeben sich aus der Verwendung der digitalen Technik vor allem in der Lehre entscheidende Veränderungen. „Heute muss weniger auf das korrekte Belichten der unterschiedlichen Filmmaterialen eingegangen werden“, sagt Wolfgang Thaler, „viel wichtiger ist es, den Studierenden zu zeigen, wie eine Geschichte gestaltet wird.“ Dazu gehörten zum Beispiel die Verwendung von Linsen, welche Kameraperspektive eingenommen werden könne, welche optischen Brennweiten verwendet würden. „Ich zeige den Studierenden, wie sie mit der Kamera eine Geschichte erzählen können, was sie weglassen und was sie der Fantasie des Publikums überlassen können.“
Text: Doris Piller
Der Artikel ist in der Kunsträume Ausgabe #1-2015 erschienen.