A Story Told in Pictures

Karambolage, 1982/83 ©Neue Studio Film

Kitty Kino, eine der ersten Regieabsolventinnen der Filmakademie Wien, blickt auf eine lange und vielfältige Karriere zurück.

Sie habe ursprünglich Atomphysik studieren wollen, erzählt die in Wien geborene Filmemacherin, Fotografin und Autorin Kitty Kino. Doch nach dem Wunsch ihrer Eltern sollte sie die großväterliche Fabrik übernehmen und besuchte deshalb eine technische Schule in Wien, an der sie maturierte und danach zwei Jahre lang als Elektrotechnikerin tätig war. „Doch dann hat sich alles anders entwickelt“, sagt Kitty Kino. „Ich habe in zwei Filmen von Rolf Thiele als Schauspielerin mitgewirkt, aber bald festgestellt, dass ich hinter die Kamera gehöre.“

An der Filmakademie Wien studierte sie Regie und Schnitt, aber auch das Kamerastudium hätte die heute 69-jährige Regiepionierin interessiert. „Das war damals für eine Frau schier unmöglich, nicht allein wegen der großen Kameras und Scheinwerfer, sondern weil sogar mein Wunsch als Frau Filmemacherin zu werden auf viel Unverständnis stieß.“

Kitty Kino
Kitty Kino ©Lukas Beck

Bewusstwerdung
Doch Kitty Kino schloss ihr Studium an der Filmakademie gegen alle Widerstände erfolgreich ab und startete ihre Filmkarriere mit ersten Arbeiten für das Fernsehen, in denen schon ihre Vorliebe für das bildliche Gestalten der Beiträge zu sehen war. „Als es dann die Filmförderung gab, schrieb ich ein Drehbuch und reichte es ein“, erzählt die Künstlerin. Aus dem Drehbuch wurde Kitty Kinos erster Kino-Spielfilm Karambolage. Der Film, der die Geschichte einer Billardspielerin im Wien der 1980er Jahre erzählt, wurde ein großer Erfolg. Er lief auf internationalen Festivals, unter anderem der Berlinale, und wurde 14 Wochen lang im Berliner Filmkunst 66 gezeigt. Karambolage offenbart auch schon das Merkmal, das Kitty Kino beim Filmemachen der wichtigste Zugang ist: „Mir geht es um Bewusstwerdungsprozesse, sie sind es, die mich am Film am meisten interessieren: Dass man selbst miterlebt, wie jemand sich verändert. Im Fall von Karambolage ging es um eine emanzipatorische Bewusstwerdung.“

 

Lara
Mit Spielfilmen wie Die Nachtmeerfahrt, in dem einem weiblichen Model ein Bart wächst, oder Das Geständnis, der davon erzählt, dass ein ehemaliger Euthanasie-Arzt gestehen will, setzte Kitty Kino in den nächsten Jahrzehnten ihre Karriere als Regisseurin für Kino und Fernsehen fort. Nicht alle ihre Ideen wurden umgesetzt, manche scheiterten an der Förderung, manche auch am finanziellen Aufwand der Idee. Doch die vielseitige Künstlerin ließ sich nie von ihrer kreativen Karriere abbringen. Eines ihrer Drehbücher, das wegen des computertechnischen Aufwandes damals keine Unterstützung fand, schrieb sie zu einem wunderbaren Kinderbuch um. Auch Lara und die Insider – so der Name des Buches – führt LeserInnen in einen Bewusstwerdungsprozess der jungen Protagonistin Lara.

Wenn ma tot san, samma tot
Wenn ma tot san, samma tot ©Kitty Kino

Bildgewalt
Darüber hinaus inszenierte Kitty Kino einige Theaterstücke, so etwa Fälle und Fallen, eine Collage aus Texten von Daniil Charm, mit der sie auch die Fähigkeit zu tiefschwarzem Humor unter Beweis stellte. Und ihre große Liebe zur Bildenden Kunst, die sich sowohl im Bühnenkonzept als auch in den Kostümen widerspiegelte. Generell zeichnen sich Kitty Kinos Arbeiten durch ihre bildstarke Sprache und ihre Nähe zur Bildenden Kunst aus. Eine Eigenschaft, die in der österreichischen Filmlandschaft nicht immer auf große Gegenliebe stieß, da es oft die Ansicht gab, dass „die Dialoge abgefilmt, aber teure Bildmontagen hintangestellt werden sollten“. Dies läge zum Teil auch an den immer kürzer werdenden Drehzeiten, erklärt die Künstlerin.

Kitty Kino Vienna
Kitty Kino Vienna, 2014 ©Kitty Kino/Edition Lammerhuber

Kitty Kino Vienna
Die bildgewaltige Sprache und die Nähe zur Malerei zeigen sich auch in einem weiteren wichtigen Aspekt von Kitty Kinos künstlerischem Schaffen, nämlich in ihrer Fotografie. Nach ihrer Zeit an der Filmakademie, in der sie auch die Dunkelkammerarbeit und die Fotoausarbeitung kennenlernte, legte sie ihre fotografische Arbeit ein wenig auf Eis. „Ich habe eine Zeit lang nur mehr einfache Urlaubsfotos gemacht“, erzählt sie, doch eines dieser Fotos habe dem Besitzer einer Fotogalerie so gut gefallen, dass er es ihr abkaufen wollte. Mittlerweile blickt sie auf einige erfolgreiche Fotoausstellungen, so etwa Kontrastumfang oder Augen.gehen.auf zurück. Aber auf eine Fotoarbeit ist sie ganz besonders stolz und nennt sie „meine pride and joy“: Kitty Kino Vienna ist ein im Jahr 2014 erschienenes Fotobuch, in dem die Künstlerin in Farbe lichtmalerische Ansichten von Wien präsentiert. Auf abendlichen beziehungsweise nächtlichen Streifzügen durch Wien sind diese Fotos entstanden. Neben ihrer malerischen Qualität liegt ihre Besonderheit auch darin, dass Kitty Kino sie mit einem einfachen alten Handy – keinem Smartphone – gemacht hat. „30 Fotos kann das Handy nur speichern“, erzählt sie lächelnd, „es war also ein ganz schöner zeitlicher Aufwand, die Gebäude oder Szenen in Wien zu fotografieren.“

Kitty Kino Vienna
Kitty Kino Vienna, 2014 ©Kitty Kino/Edition Lammerhuber

Große Filme
Bei so großer künstlerischer Mannigfaltigkeit stellt sich die Frage, was davon Kitty Kino am liebsten macht? „Im Grunde bin ich angetreten, um große Filme zu machen. ‚A story told in pictures‘, das ist es, was ich am liebsten mache.“ Doch das sei in Österreich nicht immer einfach, und so habe sie sich bei ihrem zuletzt verfassten Drehbuch dafür entschieden, zuerst einmal einen Roman daraus zu machen. „Es ist eine Riesenidee, die mich wieder zu meiner jugendlichen Leidenschaft, der Astrophysik, gebracht hat.“ Denn ein atomphysikalischer Nebensatz aus dem Werk A Brief History of Time von Stephen Hawking ist der Ausgangspunkt für den großen Roman, der gerade in Fertigstellung ist. „Es ist ein Buch, das genreübergreifend ist – wie sehr viele meiner Arbeiten. Wenn ich einen internationalen Verleger finde, wer weiß, dann wird daraus vielleicht später doch noch ein großer Spielfilm.“

 

Text: Doris Piller
Der Text ist im mdw-Magazin Oktober/November 2017 erschienen.