Sounddesign an der Filmakademie Wien
„In unserer Kultur fehlt ein adäquates Vokabular zur Beschreibung von Klangobjekten“, schreibt Barbara Flückiger in ihrem Standardwerk „Sound Design – Die virtuelle Klangwelt des Films“. Man kann auch sagen: Wir stehen dem Klanglichen oft „sprachlos“ gegenüber.
Und unsere Sprache ist ein Spiegelbild davon, wie wir die Welt erleben: Visuelle Reize dominieren unsere bewusste Wahrnehmung, das Klangliche ereignet sich scheinbar „nebenbei“ und dringt unbewusst in uns ein.
Auf dieselbe Weise nehmen wir auch Filme wahr. Und das, obwohl im Film dem Ton eine große Bedeutung zukommt. Der Ton beschreibt Raum und Zeit, er trennt oder verbindet. Er verleiht Menschen, Dingen und Orten ihren spezifischen Charakter, er lenkt unsere Aufmerksamkeit und erzeugt Spannung. Doch er tut dies meist im Verborgenen.
Die Bild- und die Tonebene eines Filmes beeinflussen sich unmittelbar. Nach Michel Chion besitzen sie einen „Mehrwert“, sie sind also nicht trennbar, ohne dass eine Veränderung ihrer jeweiligen Wahrnehmung stattfindet.
Der Ton beschreibt Raum und Zeit
Das Sounddesign ist jener kreative Abschnitt in der Filmpostproduktion, wo die Tonebene eines Filmes aufbauend auf dem Originalton gestaltet wird. Durchschnittlich 80 – 90 % der fertigen Tonebene eines Kinospielfilms entstammen nicht dem Originalton, sondern der Arbeit des Sounddesigns. Es findet seinen Abschluss in der Tonmischung.
Um eines klar zu stellen, wir sprechen hier nicht von Musik. Wir sprechen von Sprache, Geräuschen, Atmosphären, Klangeffekten und über ihre Beziehung zur Musik des Filmes – das ist Sounddesign.
Und wir sprechen nicht von Technik. Die Sounddesignerin*) ist keine Technikerin. Sie erzählt eine Geschichte. Sie erzählt die Geschichte der Autorin und der Regisseurin mit den Mitteln des Tons. Natürlich braucht es ein handwerkliches und auch ein technisches Wissen, aber vor allem braucht es ein Wissen über Filmdramaturgie und Filmmontage, über Psychologie und Akustik.
Historisch gesehen ist der Beruf der Tonschnittmeisterin/Sounddesignerin aus einer Spezialisierung im Berufsbild der Schnittmeisterin entstanden. In Österreich wurde bis zu den Anfängen der 1990er Jahre Bild- und Tonschnitt meist von ein und derselben Schnittmeisterin durchgeführt. Erst durch die Digitalisierung der Schnittarbeit und durch Mehrkanaltechniken in den heimischen Kinos, kam es zu einem Spezialistentum innerhalb der Gruppe der Schnittmeisterinnen. In den darauf folgenden zwei Jahrzehnten interessierten sich auch immer mehr Tonmeisterinnen für die kreative Tongestaltung und den Tonschnitt.
An der Filmakademie Wien wird dieser historischen Entwicklung Rechnung getragen und das Fach Sounddesign wird im Rahmen des Schnitt Unterrichts angeboten. Der Unterricht findet in Form von Vorlesungen, Seminaren und praktischen Übungen statt. Arbeitsschritte wie Sprach- und Geräuschsynchronisationen und die Mischung sind darin eingeschlossen.
Ton als erzählerisches Mittel
Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist aber die eigene kreative Arbeit und der Austausch und die Reflexion darüber. In der Grundausbildung in den ersten 3 Semestern ist jede Studierende dazu angehalten, das Sounddesign ihrer Film-Praktika selber zu gestalten. Danach sind es die Schnitt Studierenden, die insgesamt zwei Sounddesign-Praktika bei Filmprojekten ihrer Kolleginnen zu absolvieren haben. Die Tonmischung findet in einem der österreichischen Filmtonstudios statt.
Für die Arbeit stehen den Studierenden zwei Sounddesign Arbeitsplätze an der Filmakademie zur Verfügung, inklusive eines Aufnahmeraums für Sprach- und fallweise auch Geräuschsynchronisationen. Geschnitten wird auf Nuendo oder ProTools.
Ziel der Ausbildung ist es, allen Studierenden die Bedeutung und die Möglichkeiten des Sounddesigns zu vermitteln und gerade den zukünftigen Schnittmeisterinnen darzulegen, wie eng Bild- und Tongestaltung miteinander verwoben sind. Vielleicht wird die eine oder andere einmal den Weg zum Sounddesign einschlagen.
Die Studierenden sollen lernen, den Ton im Film bewusst wahrzunehmen, darüber zu reflektieren und ihn gezielt als erzählerisches Mittel für ihre eigenen Arbeiten einzusetzen. Und schließlich müssen sie sich ein Vokabular aneignen, um sich über das Klangliche auszutauschen, um Ursachen und Wirkungen zu benennen und der allgemeinen Sprachlosigkeit den Ton betreffend eloquent gegenüber zu stehen.
*) Alle Berufsbezeichnungen sind in weiblicher Form gehalten, beziehen sich aber auf Filmschaffende beiderlei Geschlechts.
Text: Philipp Mosser
Philipp Mosser ist Senior Lecturer für Sounddesign an der Filmakademie Wien